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Das Kommunbrauwesen in Kasendorf

(Auszug aus dem Heimatbuch Kasendorf)

Bis vor dem 2. Weltkrieg war das Kommunbrauwesen in unserer Gegend weitverbreitet. Viele Orte mit zentraler Bedeutung oder an wichtigen Verkehrswegen gelegen, besaßen ihre eigenen Kommunbrauereien. Allein in unserer näheren Umgebung wurde in Thurnau, Wonsees, Hollfeld und Weismain auf diese Weise Bier hergestellt. So hat sich auch in Kasendorf, als damals bedeutendem Ort für sein Umland, schon früh das Kommunbrauwesen entwickelt. *)

In Kasendorf, von Kaiser Ludwig im Jahre 1328 mit dem Stadt- und Marktrecht ausgestattet, trafen sich zu den Jahrmärkten am 3. Pfingsttag, Maria Heimsuchung und Matthiä und den wöchentlich stattfindenden Vieh- und Schweinemärkten die Bauern aus dem weiten Umland. Dabei erledigten sie auch ihre Besorgungen in den Geschäften und bei den zahlreich ansässigen Handwerkern. Ein voller Tag musste dafür eingerechnet werden, und dabei kamen auch die vielen Bierwirtschaften, neun an der Zahl, auf ihre Rechnung. Dazu eine alte Gastwirtin: „Damals is noch a anders Gschäft ganga. Die Leut ham mehr gessen und trunken und sind länger hock'n blieb'n.“

Die Kasendorfer Gaststätten waren auch letzte Einkehr der Jurabauern auf ihrem Heimweg, nachdem sie ihre Gerste in Kulmbach abgeliefert oder dort andere Besorgungen erledigt hatten.

Schließlich mag auch die Verkehrslage Kasendorfs an der Alten Egerer Straße und der Handelsstraße zwischen Bamberg und Hof Anlass gewesen sein, dass in dem verhältnismäßig kleinen Ort so viele Gasthöfe bestehen konnten. Vor der Überwindung des steilen Juraanstiegs machten die Kaufmannszüge in Kasendorf Halt, um den Tieren noch einmal Futter aufzuschütten, den Vorspann für den „Alten Berg“ zu regeln und sich selbst für die Weiterreise zu stärken.

So war es diesen günstigen Umständen und der Möglichkeit, in den Werkkalk- und Sandsteinschichten für das Bierbrauen geeignete, kühle Felsenkeller anlegen zu können, zu verdanken, dass das Kommunbrauwesen in Kasendorf über 200 Jahre lang zu einem bedeutenden Wirtschaftsfaktor zählen konnte.

Bis zu Beginn des 2. Weltkrieges hatten die acht Landwirte Eschenbacher (heute Burteisen), Lauterbach, Friedrich, Angermann (heute Schuhmann), Glenk, Weiß, Angermann (heute Reitzner) und Kalb (heute Pohl, Goldener Anker), das Recht, aus ihrer selbst angebauten Gerste Malz zu bereiten, dieses zum Brauen von Bier zu verwenden und das in ihren Bierwirtschaften auszuschenken. Fremdbier oder andere Getränke wie Spirituosen und Wein durften von ihnen nicht vertrieben werden.

In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, dass den Bürgern von damals vorgeschrieben war, wo sie ihr Bier zu beziehen hatten. So wird in einem Rezeß von 1699 den Heubscher Untertanen von der Herrschaft zugesichert, dass sie ihr Bier künftig in Thurnau oder in Kasendorf holen könnten.

Das Bier wurde im gemeindeeigenen Kommunbrauhaus am Friesenbach hinter dem Gasthaus „Grüner Baum“ gebraut. Für die Benutzung musste an die Gemeinde ein Sudgeld entrichtet werden. Verantwortlich für die ordnungsgemäße Herstellung des Bieres war allein der von den Kommunbrauern eigens angestellte Braumeister. Die Einhaltung des Reinheitsgebotes, zum Brauen nur die drei Grundstoffe Wasser, Malz und Hopfen zu verwenden, war auch für ihn oberster Grundsatz. Das Wasser kam aus einer Quelle in der Friesenmühle und wurde anfänglich in Holzröhren, später in gusseisernen Rohren zum Brauhaus geleitet, die eigene Gerste wurde von der Lohnmälzerei Friedrich zu Malz verarbeitet und anschließend in der „Hösch'n-Mühle“ geschrotet. Der Hopfen wurde bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts von den Brauern selbst erzeugt und später von Händlern, den sog. Hopfenjuden, aus dem Spalter Anbaugebiet geliefert.

In großen Maisehbottichen wurde das geschrotete Malz in warmem Wasser eingeweicht und mittels eines Rührwerks, bis in die 20-er Jahre mit Muskelkraft, mehrere Stunden gut durchgemischt. Anschließend trennte man die flüssige Würze von den festen Stoffen, „der Treber“, und pumpte sie in die Sudpfanne, wo sie unter Zugabe von Hopfen 2 bis 3 Stunden gekocht wurde, bis sie durch Eindickung die gewünschte Stammwürze besaß.

Nächste Station war das Kühlschiff, in dem die fertige Würze über Nacht auf eine möglichst tiefe Temperatur gebracht wurde, was in warmen Sommernächten nicht immer leicht war. Beizeiten musste der Gerstensaft am nächsten Morgen zur Weiterverarbeitung in die kühlen Felsenkeller am Turmberg oder Prelitz geschafft werden. Ein fester Stamm von 8 bis 10 Frauen stand für diese Arbeit zur Verfügung. In Butten mit einem Inhalt von 30 l trugen sie auf dem Rücken die flüssige Last in die Keller. Eine der wenigen noch lebenden Trägerinnen weiß davon zu berichten:
„Es war für uns Frauen eine sehr schwere Arbeit, mussten wir doch bei einem Sud mit unseren über 60 Pfund schweren Butten innerhalb von 3 Stunden zehnmal die Strecke vom Brauhaus zu den Felsenkellern zurücklegen. Wir haben es aber gerne getan und uns nicht selten darum gestritten, weil wir bei dem kärglichen Lohn unserer Männer auf jeden kleinen Nebenverdienst angewiesen waren. Je nach Entfernung des Kellers wurden 20 bis 30 Pfennige für jede getragene Butte gezahlt. Von den zehn Trägerinnen hatte jede ihren festen, nummerierten Platz. Unser Arbeitstag begann schon vor Sonnenaufgang, war ein sehr heißer Tag zu erwarten, wurden wir bereits um 3 Uhr früh vom Brauherrn persönlich geweckt. Am Sudhaus mussten wir uns zum Einschöpfen der Würze entsprechend unserem Nummernplatz hintereinander anstellen. Die Butten standen auf tischhohen Hockern, damit wir in den Bändern bleiben konnten und nicht jedes Mal die schwere Last hochheben mussten. Auch das Gehen mit der flüssigen Würze musste gelernt sein. Kam man aus dem Tritt, so schwappte die „Brühe“ über und floss einem den Rücken hinunter.

Deshalb achteten die Brauer beim Einschöpfen darauf, dass genug Schaum auf die Würze kam, der das Überschwappen verhinderte. Am Felsenkeller haben wir unsere Butten in große hölzerne Kufen, die Gärbottiche, entleert.“

In diesen, bis zu 10 hl fassenden Bottichen vollzog sich, nachdem Hefe zugesetzt war, der Hauptprozeß der Bierwerdung, die Gärung. Acht bis zwölf Tage dauerte dieser Vorgang, dann war das Jungbier fertig und musste in die Mutterfässer abgepumpt und fest zu gepfropft werden. Darin gärte das Bier nach, bekam seinen Schaum und erhielt bei kühler Temperatur in zwei- bis dreimonatiger Lagerzeit die nötige Reife.

Bis zum Abfüllen hatte man nun Zeit, sich um das Fassmaterial zu kümmern. Schadhafte Fassdauben mussten ausgewechselt, Reifen erneuert, das alte Pech entfernt und die Fässer neu „ausgepicht“ werden. Dabei waren auch die Kinder fleißig im Einsatz. Sie mussten die Fässer so lange drehen, bis das heiße, flüssige Pech alle Ritzen im Innern abgedichtet hatte, größere Fässer wurden dazu auf der Straße „gebollert“.

Nach 8 - 12 Wochen wurde das fertige Bier aus den Mutterfässern in kleinere Lagerfässer von sieben bis dreißig Litern Inhalt abgefüllt. Die verblieben weiter in den kühlen Felsenkellern, bis sie nach Bedarf von den Wirten geholt wurden.

Als 1941 das Kommunbrauen wegen Heizkosteneinsparung vom Staat eingestellt wurde, war die Ära der Kasendorfer Kommunbrauer zu Ende. Aus der damaligen Zeit ist bis heute nur noch das Recht der ehemaligen Zapfwirte erhalten, beim jährlichen Gregorifest abwechselnd den Bierausschank zu betreiben. Das Schankrecht beim traditionellen Kellerfest dagegen lag von jeher bei der Brauerei Düll (Meisel). Man kann daher, wie oft angenommen, den Ursprung dieses Festes nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Kommunbrauwesen sehen; der Name „Kellerfest“ dürfte vom Veranstaltungsort am Festplatz „bei den Kellern“ herrühren.

Erst nach dem 2. Weltkrieg wurde den an der Weiterführung ihrer Bierwirtschaft interessierten Kommunbrauern die Genehmigung erteilt, in ihren Gasthäusern Fremdbier und andere alkoholische Getränke auszuschenken. Von den heute noch vorhandenen sechs Gastwirtschaften in Kasendorf sind vier aus ehemaligen Bierwirtschaften von Kommunbrauern hervorgegangen.

*) In einer Urkunde vom 22. Juni 1784 wird bereits berichtet, dass von der Hochfürstlichen Brandenburgischen Landes-Oeconomie-Deputation die Erlaubnis zur Beschaffung eines neuen Braukessels erteilt wurde.